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Eine Liebesgeschichte.
Und so saßen sie da. Roman Bauernfeind und sein alter Freund Viktor Reliktor saßen da und dachten über die große Liebe nach. "Die große Liebe" von der alle anderen erzählten. "Weißt du", sagte Bauernfeind, "diese eine Sache will mir nicht aus dem Kopf. Wenn es soetwas geben soll, warum dann eigentlich nicht auch für uns beide?".

Bauernfeind und Reliktor waren seit immer befreundet. "Beste Feinde" pflegten sie zu sagen um dann wie zwei Schulmädchen zu kichern. Sie waren lange Zeit nebeneinander aufgewachsen ohne es zu wissen. Er, Bauernfeind, hatte nur sein Fenster zum Hof. Er war vom Kopf abwärts gelähmt, von Geburt an. Als die anderen Kinder gehen lernten, lernte er mehrdimensionales Integrieren von kovertikalen Hyperräumen. Aber das brachte ihm auch nicht umbedingt mehr Freunde. Reliktor hingegen hatte den genetischen Defekt beider Eltern geerbt und war bereits als eine einzige Schuppenflechte zur Welt gekommen. Deswegen verbrachte er die meiste Zeit seiner Kindheit am schwarzen Meer, wo ihn seine Mutter in alle möglichen Therapieeinrichtungen steckte. Das tat zwar seiner Haut vorübergehend gut, doch sein Herz zog dabei einen dauerhaften Schaden davon.

Das erste Mal trafen sich die Beiden am alten Schlachthausfest - Bauernfeind hatte gerade einen neuen, durch Augenbewegungen lenkbaren Rollstuhl bekommen. Als seine Mutter ihn gerade mit der vierten Bratwurst füttern wollte, verdrehte Bauernfeind seine Augen - was natürlich zu einer unkontrollierten Rundumfahrt seines Rollstuhl führte - und ihn seitlich in Reliktor reinknallen lies. Der Beginn einer langen Freundschaft.

So saßen sie also da. Roman Bauernfeind in seinem Rollstuhl und Viktor Reliktor so schuppig als wäre er gerade von einem wilden Schneesturm in das Lokal getrieben worden. "Tim und Schuppi" wurden sie liebevoll genannt, wobei liebevoll hier sicherlich das falsche Wort ist. Immer wenn jemand es sagte rümpfte Bauernfeind die Nase (als Höhepunkt seiner ihm möglichen Gefühlsregungen) und Reliktor bewegte seine Hände so, als wollte er den Gegenüber am liebsten erwürgen.

Doch dann kam sie herein.

Sie war Eva Braun, geborene Schinkelgruber - aber längst schon wieder geschieden. Sie kam herein, und ihr war das alles - die Schuppen, die Lähmung - ganz egal. Denn Eva war blind.

"Siehst du", sagte Bauernfänger, "Das wäre doch mal eine! Der wär unser Äußeres egal.". "Und reich ist sie auch", sagte Reliktor und grinste blöd. "Aha, die krall ich mir die fette Schnalle", posaunte Bauernfeind und fiel aus seiner sonst so intellektuellen Rolle. "Nur wenn ich dir nicht zuvor komme", sagte Schuppi.

Und tatsächlich schmissen sich Roman Bauernfeind und Viktor Reliktor wie zwei Jungspunde ins Rennen. Viktor erzählte Eva vom Schwarzen Meer, Algenfischen und Giften in Hautpflegeprodukten. Bauernfeind sang "Rote Lippen soll man küssen", ohne das Eva jemals Rot oder Lippen gesehen hatte; und er sang "Let's twist again", ohne jemals das Tanzbein geschwungen zu haben. Und Eva liebte ihn dafür.

"Weißt du", sagte Eva später einmal; "der Viktor, der war auch ziemlich scharf auf mich. Hätte ich damals nicht dich kennen gelernt, dann... aber irgendwie wurde ich nie das Gefühl los, daß er nur auf mein Geld scharf war". "Ich weiß..", antwortete Bauernfänger mit diesem breiten Grinser im Gesicht den nur er sehen konnte und fuhr Eva mit seiner Nase scheinbar zärtlich über das dreifache Doppelkinn. "Ich weiß, das du mich liebst."

In Wirklichkeit hatte Bauernfänger schon längst eine Affaire mit der jungen russischen Saubermachefrau angefangen. Soweit man bei einem vom Kopf abwärts gelähmten Mann von einer Affaire sprechen kann. Oft tanzte die russische Saubermachefrau für Bauernfänger nackt im Wohnzimmer, während seine Frau Eva im gleichen Raum das Kunststück einer blind gehäckelten Tischdecke vollbrachte.

"Ich sag dir", erzählte Bauernfänger Viktor, "diese dicke reiche blinde Frau ist das beste was mir jemals passiert ist. Ich glaub nämlich diese russische Saubermachefrau, die liebt mich wirklich, wenn ich ihr mit meinem Mund Geld zustecke." "Meinst du DAS ist wahre Liebe?", fragte Viktor Reliktor. "Ja, ich denke DAS ist wahre Liebe..."
kommentieren (2) vec, 16.02.2005 23:20

vec souce, 2004