Zeit.
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Ich hatte gerade ein wenig nachgedacht, als mir der Flyerverteiler einen kleinen grünen Zettel in die Hand drücke. Ich zog den Fäustling aus und betrachtete ihn genauer: "300EURO am Tag - von zuhause aus". "Ach du liebe Scheiße", dachte ich, "kann der arme Mann denn nicht lesen - oder warum stellt er sich für 5 EURO die Stunde in diese verdammte Kälte?!"
Ich schmiß den Zettel weg und setzte mich auf den Bahnsteig. Zu Kalt. Deswegen stieg ich in die nächste Schnellbahn nach Mistelbach und schaute in die Luft. Handelskai ist ein weitaus erträglicherer Bahnhof. Ich stieg also aus, setzte mich auf die Bank und hatte wieder Zeit zu denken. Angeblich macht ja Musik so kreativ, so nachdenklich. Bei mir ist es wohl andersrum - hätte ich Musik mitgehabt hätte ich Musik gehört, wäre noch auf Wien Nord und hätte vor mich hingedöst. Ohne Musik mußte ich den gegenüberliegenden Bahnsteig betrachten, nachdenken, auf die Uhr schauen.
Am Vormittag hatte ich bereits einen jungen Herrn mit Buffalo-Plateauschuhen gesichtet, jetzt sah ich gerade ein junges Mädchen mit Army-Hose. Komisch, ich fühlte mich wie im Zoo, oder einer Ausstellung für ausgestorbene Jugendbewegungen. Oder bewege ich mich einfach in den falschen Kreisen? Der Zug fuhr ein, und erlöste mich von meinem Leiden. Ich packte meine Mappe aus, schlug "Managment von SW-Projekten" auf und blätterte ein wenig. Bis Korneuburg, dann war ich wie gewöhnlich zu müde für alles und verfiel in diesen schrecklichen Sekundenschlaf, der mich ständig in Retz wähnt - aufschrecken lässt - mich durch die undurchsichtigen Scheiben den Standort erraten läßt und mich wieder zurückläßt in die Scheinwelt der Sekundenträume.
Wie schnelllebig diese Zeit ist? Schreibt mir doch Amazon über ein Buch das noch gar nicht erschienen ist: "Nach Auskunft des Verlags bzw. Herstellers wird der folgende Titel leider nicht mehr aufgelegt!". Das Ende überholt den Anfang. Der Abpfiff den Anpfiff. Das Happy End die Tragödie. Jawohl, eine Tragödie ist es. So muß es sein.
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vec, 17.01.2005 22:01
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